Dispokinesis nach G.O. van de Klashorst

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Was ist Dispokinesis?
Dispokinesis wurde in den 1950er Jahren vom niederländischen Pianisten und Physiotherapeuten Gerrit Onne van de Klashorst geschaffen und vereint ein umfängliches Wissen über sämtliche Aspekte der Musikermotorik. Der Ansatz der Dispokinesis stellt eine von vielen Musikern kaum beachtete und in ihrer Bedeutung meist unterschätzte Tatsache in den Fokus: Erst durch die menschliche Aufrichtung konnte die zur Entwicklung unserer Sprache und unseres Gesangs notwendige Umstrukturierung von Kehlkopf, Luftröhre, Zunge, Nacken und Kopfstellung erfolgen. Und nur so wurden unsere Arme, Hände und Finger dazu befähigt, feinmotorische Fertigkeiten zu erwerben. Ohne Feinmotorik wiederum wären wir niemals in der Lage, etwa Geige, Klavier, Oboe, Flöte oder Gitarre zu spielen. Die menschliche Aufrichtung bildet die Voraussetzung zur Ausbildung eines gesamtmotorischen Bewusstseins und ermöglicht erst dadurch die Entwicklung einer natürlichen und somit disponierten Atem-, Ansatz- und Spielmotorik. Unsere Körperhaltung beeinflusst auf entscheidende Weise auch unsere Musikermotorik. Ist die Körperhaltung für das, was wir tun, angemessen, unterstützt sie unser Tun, ist sie es nicht, hemmt sie uns darin. Die Übungen der Dispokinesis, die Übungen der Urgestalten von Haltung und Bewegung nach G.O. van de Klashorst bilden die Kompetenz aus, eine für das Musizieren angemessene Körperhaltung einzunehmen, wodurch wir unsere Motorik am Instrument und mit der Stimme optimal unterstützen, was wiederum unsere Virtuosität und Ausdrucksmöglichkeit steigert.

Was sind die Übungen der Urgestalten von Haltung und Bewegung nach G.O. van de Klashorst?
Körperliche Disposition bildet die Grundlage für feinmotorische Bewegungen und für eine natürliche Atmung. Auf diesen Fähigkeiten wiederum basiert unsere Musikermotorik. Die Übungen der Urgestalten schaffen die Voraussetzungen für Leichtigkeit und höchste Effizienz in der Spielmotorik und beim Gesang, wobei Effizienz hier bedeutet, ein maximales Ergebnis mit minimalem Kraftaufwand zu erreichen.
Das Üben besteht zunächst in der Ausbildung der Fähigkeit, in sich hinein zu spüren und später in der immer weiteren Verfeinerung der Selbstwahrnehmung. Dabei geht es niemals um richtig oder falsch, sondern vielmehr darum, etwas zu spüren, ohne dies intellektuell werten zu wollen. Üben bedeutet hier weder Gymnastik noch Muskeltraining durch Wiederholung von richtigen Bewegungsabläufen. Wir lernen vielmehr, Unterschiede wahrzunehmen und dadurch zu erkennen, was sich in welcher Situation als funktioneller, effizienter und leichter erweist. Es gilt, mehr und mehr Vertrauen in die Körperwahrnehmungen aufzubauen und so zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit der Motorik zu finden. Beim Üben der Urgestalten von Haltung und Bewegung werden wir erleben, dass hier vieles anders ist, als wir es bislang als Musiker:in gewohnt waren. Disziplin und Ehrgeiz sind nicht gefordert. An ihre Stelle treten Neugier, Humor und oftmals viel Geduld. Es gilt sich die Zeit zu gestatten, die es braucht, bis die nötige Ruhe und erwartungsfreie Gelassenheit gefunden werden kann, aus der tiefe Empfindungen, nuancierte Wahrnehmungen und das wertfreie Erleben von Gefühlen möglich werden.

Indispositionen
Indispositionen hemmen die Motorik und somit auch die Freiheit im künstlerischen Ausdruck von Musikerinnen und Musikern. Sie können unterschiedliche Symptome und Ursachen haben. Oft ist der Beginn einer Indisposition schleichend und unbestimmt. Die anfänglichen Symptome wie diffuse Spannungsgefühle, Muskelziehen, Erschöpfung, sinkende Ausdauer, Kurzatmigkeit, Präzisionseinbußen, Zittern oder Heiserkeit werden sehr oft im Rahmen der Ausbildung oder in der Vorbereitung auf einen wichtigen Auftritt als notwendig, aber vorübergehend in Kauf genommen. Der/die Musiker:in meint, mit mehr Üben oder gezieltem Training der Sache schon bald wieder Herr werden zu können. Später, wenn die Beschwerden nicht zurückgehen wollen, kann er/sie sich an den genauen Zeitpunkt und den Auslöser meist nicht erinnern. Falls die Ursache einer Spielstörung nicht gefunden und behoben werden kann, besteht die Gefahr, dass es mit der Zeit zu dauerhaften Problemen, chronischen Schmerzen oder sogar zur Spielunfähigkeit kommt. Es wäre wichtig, dass Musikerinnen und Musiker frühzeitig Warnhinweise wahrnehmen und darauf reagieren können, um dadurch mögliche ernsthafte Folgen präventiv zu verhindern. Sie sollten über eine geschulte Selbstwahrnehmung verfügen und eigenverantwortlich auf die Rückmeldungen des Körpers achten.

Das Angebot im Institut für Musikermotorik nutzt das Wissen der Dispokinesis nach G.O. van de Klashorst sowohl in der Analyse auf mögliche Indispositionen als auch in der Entwicklung von individuellen Strategien, um Indispositionen nachhaltig aufzulösen.

Beispiele für Hinweise auf eine nicht optimale Instrumental- oder Atemtechnik oder auf eine beginnende Indisposition:

Ich fühle mich nicht gut, wenn ich länger stehe oder sitze.

Ich bin unsicher über die richtige Stuhlhöhe.

Ich habe kein gutes Gefühl bezüglich meiner Atmung.

Meine Atmung wird eng und flach.

Meine Zunge ist oft zu langsam.

Beim Blasen oder Singen komme ich in Atemnot.

Ich hab immer das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.

Ich hab beim Blasen oft zuviel Restluft.

An manchen Tagen sind meine Hände irgendwie lahm, ich kann beispielsweise dann nicht gut trillern oder schnelle Läufe spielen.

Es passiert mir öfter, dass ich nicht zu meinem Ton finde.

Meine Intonation ist nicht sicher.

Mein Instrument fühlt sich öfter wie ein Fremdkörper an.

Ich habe Bogenzittern.

Wenn ich bestimmte Passagen (z.B. Doppelgriffe, Läufe, Arpeggien, Tremoli) übe, bekomme ich Schmerzen oder ermüde rasch.

Ich kann manchmal nicht schnell spielen.

Was gestern super klappte, klappt heute überhaupt nicht.

Ich kann nicht gut vom Blatt spielen, da ich nicht gleichzeitig in die Noten und auf meine Finger schauen kann.

Ein schwieriges Stück bedeutet für mich, dass es anstrengend ist.

Nach einem Konzert bin ich oft ganz erschöpft und könnte dasselbe Programm nicht gleich noch einmal spielen, da meine Muskeln so ausgepowert sind.

Beim Üben mache ich oft gar keine Fortschritte, ja es wird manchmal sogar schlechter.

Es wundert mich, dass meine Mitstudenten oft ohne Probleme stundenlang üben oder spielen können und ich nicht.

Laut spielen ist anstrengend.

Leise spielen ist anstrengend.

Wenn ich laut spiele, kann ich nicht so gut schnell spielen.

Ich habe Probleme mit der Unabhängigkeit meiner Hände.

Ich habe Schwierigkeiten mit der Regelmäßigkeit von speziellen Passagen.

Meine Mitspieler sagen oft, dass ich in Läufen schneller werde, und ich merke das gar nicht.

Wenn ich nervös werde, verliere ich manchmal total die Kontrolle über mein Körpergefühl und über das, was ich spiele.

Vor einem Konzert weiß ich nie, ob bestimmte Stellen klappen werden.

Ich brauche erst eine längere Einspielzeit.

Ich denke immer, ich hab vielleicht nicht genug geübt.